Sulawesi und das Leben mit dem Tod

Oh Indonesien, wieso bist du nur so groß und so wunderschön? Es gab noch so viele Inseln zu sehen und wir hatten nur einen Monat Zeit (doofes 30-Tage-Visum)…viel zu wenig! Nachdem wir aus Singapur wiederkamen und ein zwei Tage in Jakarta verbracht hatten, ging es weiter nach Makassar, der Hauptstadt Sulawesis. Wir hörten großartige Dinge über Sulawesi und wussten, dass wir eigentlich den ganzen Monat für die 11-größte Insel der Welt bräuchten, doch leider hatten wir gerade mal eine Woche.

Sulawesi wird im nördlichen Teil vom Äquator durchschnitten, was für das zentrale Bergland starke Niederschläge das ganze Jahr über bedeutet. Die Folge ist eine üppige Vegetation mit dichtem Regen- und Hochnebelwald, in dem vereinzelt indigene Gruppen leben mit teilweise gruseligen Traditionen, dazu aber gleich mehr. Die Insel war angeblich schon vor 100.000 Jahren bevölkert und ist eine archäologische Schatztruhe. Nach fast 300 Jahren unter niederländischer Führung, im Jahre 1949, nach der indonesischen nationalen Revolution, wurde Sulawesi Teil der unabhängigen Vereinigten Staaten von Indonesien, die sich im Jahr 1950 in die Republik Indonesien umwandelte.

Schon als wir am Flughafen ankamen wurde klar, dass es hier so gut wie keine Touristen gibt. Alles schaute uns verdutzt an und das Staunen war groß. Den ersten Tag verbrachten wir in der Hauptstadt selber, die allerdings nicht so viel zu bieten hat. Ich hatte die Instagramseite @explore_makassar angeschrieben und lustigerweise wollten die Admins uns am nächsten Tag mit auf eine Entdeckertour nehmen. Wir waren natürlich hellauf begeistert und wurden so in den frühen Morgenstunden abgeholt und fuhren zusammen mit Ai nach Rammang-Rammang. Wir hatten eigentlich keinen blassen Schimmer, was zu erwarten war, nur ein Bild von verrückt aussehenden Felsen machte uns auf die Gegend aufmerksam. Als wir zum Sonnenaufgang ankamen, wartete schon ein kleines Holzboot auf uns und sollte uns eine der schönsten Flussfahrten aller Zeiten bescheren.

Wieder zurück in Makassar ging es mit dem Nachtbus Richtung Norden nach Zentral Sulawesi.

Dort haben wir uns eine Gegend namens Tana Toraja angesehen, ein ganz ganz ganz besonderer Ort!!!! Jeder kennt den Totenkult aus Mexiko, aber niemand weiß, dass noch viel verrücktere Dinge auf dieser Insel in Indonesien passieren. Ein Bild von merkwürdig aussehenden Häusern hat mich auf die Gegend aufmerksam gemacht und nach einer kurzen Recherche stellte sich heraus, dass die Torajans eine ganz besondere Kultur leben.

Denn hier lebt man mit den Toten und nein das ist nicht metaphorisch gemeint. Zwischen Tod und Beerdigung vergehen Wochen, Monate, nicht selten sogar Jahre und bis dahin bleibt der Verstorbene im Haus bei seiner Familie. Aluk Todolo, eine anzestrale animistische Religion (d.h. es wird an die Beseeltheit von Menschen, Tieren und Pflanzen geglaubt und ein Ahnenkult gepflegt) ist der Ursprung des Totenkultes in Toraja. Doch im Gegensatz zum Animismus gibt es nicht nur viele verschiedene Götter, sondern auch einen Super-Gott. Mit der Missionierung durch die Europäer im späten 19. Jahrhundert verbreitete sich zwar das Christentum auf Sulawesi, doch die Kultur der Torajans blieb erhalten. In ihrem Glauben kann ein Toter nur durch eine aufwendige Riesen-Beerdigung das Jenseits erreichen und nur, wenn der Tote auch zufrieden mit seiner Beerdigung ist, wird die Familie mit Glück gesegnet. Je höher der soziale Status der Familie ist und je älter die Familie, desto aufwendiger muss das Fest werden und desto länger dauern die Vorbereitungen und das Zusammentragen des benötigten Geldes. Doch was genau passiert mit dem Leichnamen? Sobald ein Angehöriger stirbt wird ein Arzt gerufen, um das Todeszeugnis auszustellen und die benötigte Menge der Chemikalie Formalien zu ermitteln. Formalin ist ein Fixierungsmittel, um den Verwesungsprozesse zu stoppen (das Zeug, was auch zum Konservieren von biologischen Präparaten verwendet wird). Dieses wird so bald wie möglich nach dem Tod an jeder Stelle des Körpers injiziert, um den Leichnamen zu mumifizieren. Je nach Umständen wird der konservierte Leichnamen weiterhin wie ein Lebender behandelt (d.h. er sitzt mit im Wohnzimmer, ihm wird Essen und Trinken gebracht, etc.) oder er „schläft“ in einer Art Sarg, welcher im Haus aufbewahrt wird. Torajans glauben, dass bevor die eigentliche Beerdigung stattfindet, die Seele des Verstorbenen noch im Haus ist und er nur krank ist bzw. schläft.

Direkt an unserem ersten Tag in Rantepao (dem Zentrum von Tana Toraja) hatte ich die Ehre an einer Beerdigung teilzunehmen. Wenn Bules aka Touristen bei einem solchen Fest erscheinen, repräsentiert das den Status der Familie und ist somit gern gesehen. Unser Guide Nathan erklärte, dass wir Geschenke mitbringen müssen, wenn wir zu der Beerdigung gehen möchten. Also haben wir eine Stange Zigaretten und 2 Kilo Zucker auf seine Empfehlung hin gekauft. Wir kamen an dem Festplatz an und haben als erstes die Familie der Angehörigen begrüßt und unsere Geschenke als Zeichen des Respekts überreicht.

Ich war total beeindruckt und fasziniert von diesem Event. Eine ganze Woche geht das Spektakel. Eine Woche lang wird das ganze Dorf versorgt, gefeiert und dem Verstorbenen somit Respekt gezollt. Wie ihr euch vorstellen könnt kostet so eine Festwoche Unsummen. Laut unserem Guide muss man mit 2-3 Billionen Rupiah ~ 125.000 – 190.000€ rechnen. Collage-Fonds werden aufgelöst und Kredite aufgenommen. Gerade die jungen Torajans empfinden diese Tradition als ziemliche Bürde, denn jeder Cent wird nur für Beerdigungen ausgegeben. Es ist die wichtigste Veranstaltung. „You can miss a wedding, but you can’t miss a funeral“ hat unser Guide gesagt.

Das mit den Beerdigungen ist ja schon verrückt genug, aber die Torajans legen tatsächlich noch eine Schippe drauf. Nach diesem äußerst pompösen Fest wird der Verstorbene nicht unter der Erde beerdigt, sondern kommt entweder in eine Art Totenhaus (jede Familie hat eins) oder kommt in ein, in Stein eingemeißeltes Grab.

Und da war die Woche auch schon rum. Wirklich viel zu kurz für Sulawesi. Diese Insel ist ein Traum und wie hoffentlich deutlich wurde, unendlich interessant. Und mal abgesehen davon, dass dieser Totenkult nicht nur faszinierend, sondern auch ein wenig gruselig ist, fanden wir die grundsätzliche Einstellung zum Tod sehr erfrischend. Denn hier ist der Tod Nichts, was tabuisiert wird, wie im Rest der Welt, sondern ein wichtiger Bestandteil, wenn nicht sogar der Höhepunkt des Lebens.

Sulawesi und der Totenkult der Torajans ist, bis dato, für mich das einzig-artigste Erlebnis gewesen auf meiner ganzen Reise, denn soetwas findet man nirgendwo anders auf der Welt und nur wenige wissen darüber Bescheid. Verratet es also nicht zu vielen und lasst diesen ganz besonderen Ort unser kleines Geheimnis bleiben 😉

Bis zum nächsten Mal,

eure Gina